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Seltenes kleines Mikroskop von Plössl in Wien, Stativ Nr.
3 um 1835. Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und gebeiztem Messing, blankem
und gebläutem Stahl sowie aus einer polierten Holzschatulle. Das Mikroskop
verfügt über einen zweifach gelagerten Konkavspiegel. Die Fokussierung
erfolgt über einen seitlichen Trieb, der auf eine Zahnstange wirkt,
welche in die zur Führung dienende runde Stativstange eingelassen ist.
Zur Verwendung wird das Mikroskop auf die Holzschatulle geschraubt, dieses misst 13,4 cm mal 16,3 cm bei 4,3 cm Höhe. Ein Federmechanismus unter der Tischplatte ermöglicht das Klemmen des Objekts über eine mit dieser verbundene Messingplatte oberhalb der Tischöffnung. |
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Zum Transport wird das Instrument zerlegt und in der mit grünem
Samt ausgeschlagenen Schatulle verstaut.
Die optische Ausrüstung des Mikroskops besteht zeittypisch aus einem fünfteiligen Objektiv, dessen einzelne achromatischen Linsensätze mit den Schlagzahlen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3,Nr. 4 und Nr. 5 bezeichnet sind. Zwei Okulare sind dem Instrument beigegeben. |
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Hugo von Mohl beschreibt in Mikrographie (L.F. Fues, Tübingen 1846: 73) zu derartigen Objektiven: Plössl und Schiek geben ihren Mikroskopen nur wenige (6-7) Objective bei, welche in der Reihenfolge, wie sie in der Stärke aufeinander folgen und mit den Zahlen 1, 2, 3 ... bezeichnet sind, in den folgenden Combinationen gebraucht werden können, 1, 1+2, 1+2+3, 2+3+4, 3+4+5, 4+5+6. Es folgt also hieraus, dass man beim Wechseln der Objective und der Wahl der nächst stärkeren Combination meistens die hinterste Linse abschrauben und vorn eine neue aufschrauben muss. Da dieses immer mit einem gewissen Zeitaufwande verbunden ist, so ist die Einrichtung, welche Amici, Oberhäuser u.A. ihren Objectivsystemen geben, nämlich die Zusammensetzung eines jeden desselben aus mehreren zusammengehörenden Linsen, von denen keine bei einem anderen Systeme verwendet wird, die bequemere, indem hiebei [sic!] die verschiedenen Systeme eben so schnell, wie einfache Objective gewechselt werden können. | |
![]() ![]() An originalem Zubehör des Mikroskop ist eine über drei Lager bewegliche, an der Tischplatte zu befestigende Pinzette erhalten. Die ursprünglich ebenfalls ausgelieferten Auflichtlupe fehlt. Der Artikel Simon Plößl (1794-1868) Optiker und Mechaniker in Wien (Zur Entwicklungsgeschichte der Plößl-Mikroskope) (Josef Hölzl, Engelbert Bancher, Franz Kotlan in: Technisches Museum für Industrie und Gewerbe in Wien / Forschungsinstitut für Technikgeschichte: Blätter für Technikgeschichte 31, Wien 1969: 45-89) beschreibt alle bis 1969 bekannt gewordenen Mikroskope aus der Werkstatt Plössls, die sich in staatlichen Museen oder privaten Sammlungen befinden. Das dort als Reisemikroskop beschrieben Instrument wird in unterschiedlicher Bauart in nur drei erhaltenen Exemplaren als bekannt beschrieben. Das älteste Exemplar verfügt über eine Stativrundsäule, drei breite Objektive, Tubustrieb und Maroquin-Futteral; ein Dreifuß ist nachträglich ergänzt, der Tubus ähnelt dem des Stativs 2 auch in der Form. Das jüngste Gerät, im Besitz des Technischen Museums Wien, zeigt bereits den ab 1861 angebotenen Messingfuß. Des weiteren wird ein Mikroskop aus der Sammlung des Pharmakognostischen Instituts der Universität Wien beschrieben, welches dem Stativ Nr. 4 gleicht. Ein Mikroskop ähnlich dem hier gezeigten ist nicht bekannt. |
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[ ] 2. Kleines zusammengesetztes Mikroskop, dessen Körper durch Triebwerk gegen den feststehenden Objecttisch bewegt wird, auf messingenem, zusammen zu legenden Dreifusse; mit zwei Ocularen aus einfacher Linse und Collectivglase bestehend, zum Aufschrauben, und fünf achromatischen, aplanatischen Linsen zum Ueberbereinanderschrauben. Der Objecttisch mit vorne offener Federklammer für Objectträger und Glastafeln aller Art, mit Drücker zum Oeffnen von unten. Einem gläsernen concaven Reflexionsspiegel mit doppelter Bewegung zur transparenten Beleuchtung; der schwarzen Rückseite desselben, und einer Beleuchtungslinse mit Bewegung für opake Objecte. Einem concaven Objectglase für Flüssigkeiten, und zwei flachen Glastafeln für trockene Objecte. Einem Insectenglase in messingener Fassung, und einer Objectnadel zum Aufstecken. Eine Wilsonsche Loupe, in Messing gefaßt, und eine messingene Pincette. Zwei auf Glas getheilte Mikrometer mit Theilung der Wiener Duodecimallinie in 30 und 60 Theile linear, in elfenbeinerner Capsel und messingenem Ringe dazu zum Einlegen in den Objecttisch, und vier Objectschieber mit 16 Probenobjecten. Die Vergrösserungen gehen von 18 mal bis zu 250 Mal linear, oder von 324-62500 Mal der Fläche. Alles in einem polirten hölzernen Kästchen mit Schloss, mit Sammet gefüttert, beiläufig 1' lang, 6" breit und 3" hoch. 90fl. |
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![]() ![]() 4. Kleineres zusammengesetztes Reisemikroskop, mit einem auf den Deckel des Futterals aufzuschraubenden Fuße, dessen Körper auf einem horizontalem bebeglichen Arme stehet; mit einem durch Triebwerk gegen die Linsen beweglichen Objecttische mit offener Federklammer; einem Oculare und drei achromat. Objectivlinsen zum Ueberbereinanderschrauben; einem beweglichen concaven Reflexionsspiegel für transparente Objecte, dessen schwarze Rückseite nebst einer beweglichen Beleuchtungslinse zum Aufstecken zur Beleuchtung opaker Objecte dient. Einem flachen und concanven Glase für flüssige und trockene Objecte; einer Objectnadel zum Aufstecken und einer messingene Pincette; zwei Objectenschieber mit acht Probeobjecten. Die drei verschiedenen Vergrösserungen sind: 25, 60 und 100 Mal linear, oder 625, 3600 und 10000 Mal der Fläche. Alles in einem mit Sammet gefütterten Futteral von Maroquin. 40fl. |
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![]() 3. Zusammengesetztes Taschen- oder Reise-Mikroskop mit einem auf den Deckel des Kästchens aufzuschraubenden Fusse, dessen in zwei Hälften zerlegbarer und einander schraubender Körper auf einem horizontal bebeglichen Arme steht; mit einem durch Triebwerk gegen die Linsen zu bewegenden Objecttische mit offener Federklammer; zwei Ocularen und fünf achromatischen Linsen zum Überbereinanderschrauben; einem beweglichen Reflexionsspiegel, dessen schwarze Rückseite nebst einer beweglichen Beleuchtungslinse zur Beleuchtung opaker Objecte dient; einem flachen und concanven Glase für flüssige und trockene Objecte; einer Objectnadel zum Aufstecken und eine messingene Pincette; zwei Objectenschieber mit acht Probeobjecten. Die Vergrösserungen gehen von 18 - 250 Mal linear, oder 324-62500 Mal der Fläche. Alles in einem polirten Kästchen, mit Sammet gefüttert und mit Schloss, beiläufig 51/2" lang, 41/2" breit und 11/4" hoch. 80fl. Setzte man das hier gezeigte Stativ Nr. 3 in Relation zu dem Mikroskop mit Dreibein Nr. 2 und dem kleinen Reisemikroskop wird dessen Leistungsfähigkeit deutlich - es handelt sich damit um ein frühes echtes Reisemikroskop, welches gegenüber dem größeren Stativ keine wesentlichen Einschränkungen in der Verwendbarkeit aufweist. Um das Instrument möglichst kompakt verstauen zu können hat Plössl die originelle Lösung gefunden, den Tubus in zwei Teile verschraubbar auszulegen, bei dem zum Verpacken das obere Tubusstück umgedreht und um 180° gedreht in das Gegenstück verschraubt wird. |
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Den Abmassen des Kastens nach zu urteilen ist das hier gezeigte Mikroskop
auf die Zeit um 1835 zu datieren.
Dieses Mikroskop kann im Juli 2010 aus dem Raum Salzburg für die Sammlung erworben werden, über den ursprünglichen Besitzer des Mikroskops ist nichts mehr in Erfahrung zu bringen. |
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Georg Simon Plößl (1794-1868) wird als Sohn eines Schweizer Tischlers geboren, der vor allem technische Geräte und Spieluhren aus Holz fertigt. Als Plößl gerade sieben Jahre alt ist stirbt sein Vater, bedingt durch die daraus resultierenden schlechten finanziellen Verhältnisse darf er die Normalschule unentgeltlich besuchen und schließt diese mit ausgezeichneten Leistungen ab, um danach seinem sechs Jahre älteren Bruder folgend eine vierjährige Drechslerlehre zu vollenden. | |
Mangels Bekanntheit und Bestellungen sowie einer Fehlinvestition in die Lizenz für Theaterspektive muss Plößl seinen Angestellten jedoch schon bald wieder entlassen und kommt in Zahlungsschwierigkeiten. Durch großen Fleiß und strengste Sparsamkeit seiner Frau gelingt es ihm jedoch bald mit Teleskopen und Mikroskopen die Aufmerksamkeit einiger Professoren auf sich zu ziehen, darunter der Physiker und angewandte Mathematiker Andreas Freiherr von Baumgartner (1793-1865), der Mathematiker und Physiker Andreas Freiherr von Ettingshausen (1796-1878), der Botaniker Joseph Franz Freiherr von Jacquin (1766-1839), der Astronom Joseph Johann von Littrow (1781-1840), der Mathematiker und Geodät Simon Ritter von Stampfer (1792-1864) sowie der Chemiker und Techniker Ignaz Edler von Mitis (1771-1842) und der Naturwissenschaftler Alois Beckh von Widmanstätten (1754-1849). Diese unterstützen ihn mit Aufträgen , so dass er er innerhalb einer Dekade nationale und internationale Bekanntheit erlangt, obwohl er ganz untypisch für seine Zeit nie außerhalb seiner Heimatstadt lebt und selbst Nieder-Österreich auch für Reisen nicht verlässt. Plößl gilt als sehr ehrlicher Optiker und Mechaniker; sein erstes Preisverzeichnis veröffentlicht er 1828, dem bald ausführlichere folgen. Nach den Berechnungen von v. Littrow fertigt Plößl ab 1832 dialytische Fernrohre, die bald auf der ganzen Welt sehr gefragte Instrumente werden - wie alle optischen Erzeugnisse aus Plößls Werkstatt sind die damit erzeugten Bilder von bedeutender Helligkeit und Schärfe. Schließlich zieht Plößl innerhalb Wiens mehrfach um und wird 1835 Bürger der Stadt. Bei der ersten Gewerbs- und Industrieausstellung im Herbst 1835 in Wien werden seine Erzeugnisse einstimmig mit der goldenen Medaille ausgezeichnet. |
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**) Zeitschrift für Physik und verwandte Wissenschaften, B. III Heft 1 ***) Zeitschrift für Physik und Mathematik, Bd. VII. Heft 3 Offenbar wird Plößl Ende der 1830er mit Bestellungen derart überhäuft, dass seine Kunden oft lange auf die Instrumente warten müssen - er tritt auch mit diesem Umstand in die Tradition von Ramsden, Dollond und Fraunhofer. Ein pankratisches (bildaufrichtendes) Mikroskop wird von Plössl ab 1843/44 als Stativ Nr. 5 angeboten. Über die Arbeitsweise Plößls ist vermerkt (Ph. Carl [Hrsg.]: Repertorium für Experimental-Physik, für physikalische Technik, mathematische & astronomische Instrumentenkunde. 4. Band, Verlag R. Oldenbourg; München 1868: 63-64): |
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![]() ![]() Simon Plößl stirbt am 29. Januar 1868 durch einen Unfall, bei dem ihm eine herunterfallende Glasplatte den rechten Arm derart verwundet, dass er der Verletzung kurz darauf erliegt. Mikroskope werden unter dem Firmennamen S. Plössl & Comp. bzw. S. Plössl & Cie bis 1905 weiter produziert. Bis 1882 werden die eigentlichen, typischen Plössl-Mikroskope angeboten, die Produktion jedoch ab 1875 sukzessive auf die Herstellung von Hufeisenstativen umgestellt. Inhaber der Werkstätte nach Simon Plößls Tod ist 1868 Anna Fleckenstein, geborene Plößl, ab 1871 zusammen mit dem k.u.k. Hofoptiker Mathäus Wagner. Ab 1874 führt die Werkstätte M. Wagner alleine, er nimmt 1888 M. Josef Wagner mit auf. Im Jahre 1905 läuft die Firma auf Marie Wagner. [Vergleiche Referenz 2, 3, 22, 86 sowie Mikroskopsammlung des Polytechnischen Museums Moskau: Mikroskop, Inventurnummer PM 007959 (MIM 305)]
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