Schieck Labormikroskop; 1904 im Kasten. Das Mikroskop verfügt über ein grün-golden lackiertes Eisengußstativ, die übrigen Teile bestehen aus vernickeltem und zaponiertem Messing sowie gebläutem Stahl. Die Grobeinstellung erfolgt über Zahn und Trieb, die Feineinstellung durch seitliches Verkippen des Tisches mit Hartgummi-Auflage. Der Tubus ist ausziehbar ausgeführt, am unteren Ende wird ein dreifacher Objektivrevolver angeschraubt. Die Beleuchtung erfolgt über einen dreifach gelagerten Plan- und Konkavspiegel, zur Einstellung der Apertur dient eine Revolerlochblende.
An optischer Ausstattung verfügt das Mikroskop über die Okulare Nr. 0 und Nr. 2 beziehungsweise in separater Schatulle über die Objektive Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 8 (Ölimmersion) sowie zwei Einsätze für die Tischöffnung in Form einer Zylinderlochblende sowie einen Kondensorlinseneinsatz mit 13 mm Linsendurchmesser für Immersionsmikroskopie. Diese Schatulle trägt im Innern die passende Seriennummer zum Kasten 46831.
Im Kastendeckel
ist der Name des Herstellers als Stempelabdruck angebracht:
F.W. Schieck, Optisches Institut, Berlin SW.
46. In das Holz des Kastens ist die Seriennummer Nr.
46831 eingeprägt.
Nach Mikroskopion 29 (Wild Heerbrugg Ltd, 1976) handelt es sich bei dem hier gezeigten Schieck-Objektiv 1 um ein 5x/0.13 und beim Schieck-Objektiv 4 um ein 14x/0.40. |
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Bei dem ersten Besitzer dieses Mikroskops handelt es sich um Johannes
Jädicke der am Lessing-Gymnasium in Berlin Michaelis 1902 die
Reifeprüfung ablegt und danach an der Königlichen
Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin Mathematik und Naturwissenschaften
studiert.
Im
März 1908 besteht er die Prüfung für das Lehramt an höheren
Schulen. Ostern 1910 wird er als Oberlehrer an der Goetheschule in
Deutsch-Wilmersdorf angestellt. Höchstwahrscheinlich erwirbt Jädicke
das Instrument während seines Studiums direkt vom Hersteller. In den
1930ern schenkt Studienrat Jädicke dieses Mikroskop seinem Freund Dr.med.
H.
H. verwendet es während seiner Zeit als Assistent von Dr. Bühler am Kaiser-Wilhelm-Institut, Berlin bis Mitte 1942. Daraufhin reist das Mikroskop mit ihm auf die Krim, von wo aus er bis Mai 1944 als Unterfeldarzt tätig ist - aus jener Zeit stammt auch der im Kasten des Mikroskops erhaltene Äskulap, das Krim-Schild und seine Erkennungsmarke. Im Mai 2000 kann dieses Instrument vom Enkel jenes Arztes für die Sammlung erworben werden; nach seinem Willen wird der volle Name des ursprünglichen Besitzers nicht veröffentlicht. Friedrich Wilhelm Schiek wird 1790 als Sohn eines Chirurgen in Herbsleben, Thüringen geboren. Sein Vater wechselt den Beruf und zieht mit der Familie nach Frauensee. Im nahegelegenen Schloß Philippsthal des Prinzen Ernst Constantin zu Hessen-Philippsthal entsteht kurz vor 1800 eine mechanische Werkstatt. Als Nachfolger des Hofmechanicus Heinrich Carl Wilhelm Breithaupt wird 1800 Ludwig Wisskemann als erster Hofopticus und Mechanicus ernannt; bei ihm geht der junge Schiek von 1808 bis 1811 in die Lehre. In Schieks Lehrbrief wird sein Fleiß und gute Benehmen besonders hervorgehoben. |
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Mit
solch guten Referenzen wird Schiek als Mitarbeiter bei Pistor in Berlin
aufgenommen. Carl Philipp Heinrich Pistor
(1778-1847) hat bereits 1810 einfache physikalische Geräte angeboten
und spätestens 1813 eine eigene Werkstätte gegründet, in der
neben astronomischen und geodätischen Instrumente auch Mikroskope gefertigt
werden. Letztere sind nach dem Vorbild der englischen Geräte gebaut,
z.B. nach Jones, Ellis, Adams etc.
Zu erwähnen ist hier, daß auch Reichenbach in England nach technischem Know-How suchte (u.a. bei Tulley und Hunt) und so fast alle kleinen und mittleren Fraunhoferschen Mikroskope den englische (Stangen-)Stativen ähnlich sind. Das älteste bekannte Stück mit der Signatur "Pistor & Schiek" ist der Preußische Ur-Maßstab von 1816. Als Gründungsjahr der Firma Schiek wird schließlich 1819 angegeben, vier Jahre vor Plössl (mit dessen Stil die Mikroskope Schieks häufig verglichen werden). Das optisch-mechanische Institut bezeichnet sich später selbst in Anzeigen als älteste Mikroskopfabrik Deutschlands. Möglicherweise ist Schiek bis zum Jahr 1824 als Zulieferer für Pistor tätig. Danach wird er Teilhaber, die Firma nennt sich Pistor & Schiek. Aus dem Jahre 1829 liegt in Astronomische Nachrichten Bd. 7 eine ausführliche Preisliste vor. Sehr wahrscheinlich ist Schiek neben dem kreativen Theoretiker Pistor der mechanische Künstler in der Werkstatt. Man spricht in der Literatur der Zeit lobend von den Schiek'schen Mikroskopen, was den Schluß nahelegt, dass Schiek sich schon früh allein um die Mikroskopherstellung bei "Pistor & Schiek" kümmert. Gegen Ende des Jahres 1836 trennt sich Schieck schließlich von Pistor. |
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In
Dorotheenstraße 31g baut Schiek ab 1837 in eigener Werkstatt Mikroskope.
Schon bald siedelt Schiek in die Marienstraße 1a in größere
Räume um. Bei der Berliner Gewerbeausstellun von 1844 wird Schiek eine
goldene Medaille für den Bau seiner Mikroskope verliehen. Man stellt
die Leistung der Instrumente aus Schieks Werkstatt mit jenen von Georges
Oberhaeuser Paris und Simon Plössl Wien gleich. Besonders erwähnt
wird bei allen drei, dass keine überzogenen Preise für die Mikroskope
verlangt werden würden. Die mittleren Stative aller drei Firmen belaufen
sich dabei um 1850 auf gut 100 Thaler - das entspricht dem halben Jahrslohn
eines gut bezahlten Mechanikers.
Bis Mitte der 1850er verwenden Schiek und Plössl starke Okulare und schwache Objektive - im Gegensatz zu Oberhaeuser und Amici welche die Vorteile höherer Auflösung bei umgekehrtem Verhältnis bereits erkannt haben. Zudem werden Mikroskope von Oberhaeuser und Hartnack seit Beginn mit festen System ausgeliefert, während Schiek noch bis 1860 zusammensetzbare Objektive baut. |
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In den Jahren
1860 bis 1864 bildet Schiek seinen Sohn Friedrich Wilhelm Hermann Schieck
[sic!] aus, der die Werkstatt schließlich 1865 übernimmt. F.W.
Schieck spezialisiert sich auf die Weiterentwicklung handlicher und zugleich
leistungsstarker Trichinen- und Reisemikroskope. Sein Vater stirbt 1870.
In Anzeigen um die Jahrhundertwende wirbt die Firma F.W.Schieck mit ihrer bisher ausgelieferten bzw. produzierten Gesamtzahl an Mikroskopen: 1902 waren es über 36000, 1903 bereits über 41000 und 1904 schon über 45000 Instrumente. Zu beachten ist hier jedoch, daß in dieser Zeit wohl vorwiegend Trichinenmikroskope hergestellte werden, welche insbesondere in Preussen zum Einsatz kommen. Das hier gezeigte Mikroskop wird auf Grund des grün lackierten Hufeisenstativs und des vernickelten Tubuses Anfang 2010 vom zuständigen Grafiker ausgewählt das deutsche Sonderpostwertzeichen 100 Jahre Friedrich-Loeffler-Institut zu schmücken, da es sich ästhetisch in das Farbkonzept der Briefmarke sehr gut einpasse. Dieses auf der Briefmarke gezeigte Instrument steht mit dem hier ausführlich diskutierten geschichtlichen Hintergrund in keinem historischern Zusammenhang zum Mitbegründer der Virologie, Friedrich August Johannes Loeffler (1852-1915). |
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