Dissketionsmikroskop nach Oberhaeuser; Stativ VI um 1885. Das
Mikroskop ist gefertigt aus zaponiertem und geschwärztem Messing und
schwarzem Glas. Eine Lochblendenrevolverscheibe mit drei Aperturen reguliert
die Beleuchtung des Objekts, für welche ein Spiegel bzw. eine matte
Keramikscheibe dient. Das Stativoberteil inklusive der Tischplatte ist um
die optische Achse drehbar.
Ausgestattet ist das Mikroskop mit einem Objektiv Nr. 2 sowie einem bildaufrichtenden Okular, welches mit einer Überwurfkappe gesichert ist. Auf dem Tubus prangt die dekorative Signatur:
Ane Mon Hartnack &
Prazmowski Die Unterseite des runden Fußes ist mit Leder bezogen um das Instrument beziehungsweise die Tischauflage gegenseitig vor Schäden zu schützen. Bei diesem Mikroskop handelt es sich um die jüngste Version des ursprünglich von Achille Trécourt und Georges Oberhaeuser eingeführten pankratischen Dissektionsmikroskops, welches nach Vorschlägen des in Paris arbeitenden Anatomen Hercule Eugène Strauss-Durckheim (1796-1865) gebaut und der Académie des Sciences als Microscope achromatique à tous grossissemens (Archives des Découvertes et des Inventions nouvelles, faites dans les Sciences, les Arts et les Manufactures, tant en France que dans les Pays étrangers, pendant l'Année 1839; Treuttel et Würtz; Paris 1841: 214) am 2. September 1839 vorgestellt wird. Dieses Mikroskop folgt als erstes Instrument seiner Art in der Ausführung bezüglich Handhabbarkeit und Größe nachweislich der Anatomie des Menschen und gilt in seiner Zeit entsprechend als ergonomisch durchdachtes Gerät. Pieter Harting diskutiert dieses Instrument sehr ausführlich in seinem als Standardwerk der Mikroskopie anerkannten Buch Das Mikroskop (Das Mikroskop. Theorie, Gebrauch, Geschichte und gegenwärtiger Zustand desselben. Deutsche Originalausgabe, vom Verfasser revidirt und vervollständigt. Aus dem Holländischen übertragen von Dr. Fr. Wilh. Theile; Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn; Braunschweig 1859: 766-768); dort heißt es:
Ein [
] Mittel zur Umkehrung ist dieses , dass man statt eines
Objectivs zwei Objective nimmt und diese in solche Entfernung von einander
bringt, dass jenes Bild, welches vom unteren erzeugt wird, durch das obere
sich vergrössert darstellt. [
]
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Im "Preisverzeichnis der achromatischen Mikroskope von Professor Dr.
E. Hartnack, Nachfolger von G. Oberhaeuser. (In Potsdam Waisenstrasse 39)"
von 1885 erscheint dieses Mikroskop in gleicher Beschreibung und mit dem
selben Preis:
VI. Dissektions-Mikroskop mit grosser Fokaldistanz und Bildumdrehung; Vergrösserungen (ohne Linsen- und Okularwechsel) von 10-100, drehbarer Tisch mit Glasplatte...250 Francs...200 Mark. Damit handelt es sich um das am längsten im Angebot der Firma geführte Mikroskopstativ, welches über die Jahre nur geringfügig in der Ausführug geändert wurde. Besonders zu bemerken ist, dass bereits das erste Dissektionsmikroskop mit der Signatur Trécourt & Georges Oberhaeuser einen Trieb zur Einstellung des Fokus und einen weiteren Trieb für die Zoomfunktion der Optik besitzt. Das gewöhnliche große Trommelmikroskop wird für die Fokussierung mit einem Schiebetubus aber ohne Trieb angeboten. Selbst das große Hufeisenmikroskop verfügt bis Mitte der 1860er über keinen Trieb. In der hier gezeigten, letzten bekannten Bauart des Dissektionsmikroskops liegt ein Trieb zur Fokussierung vor, sowie ein Auszugstubus für das Zoomen. Dieses Mikroskop kann im Sommer 2007 aus einer privaten Sammlung für diese Sammlung erworben werden. Der am 16. Juli 1798 als Sohn eines bayrischen Drechslermeisters in Ansbach (Mittelfranken) geborene Johann Georg Oberhäuser besucht das Gymnasium und will den Ingenieurberuf ergreifen. Durch den frühen Tod seines Vaters wird er jedoch gezwungen, 1812 als Mechanikerlehrling bei dem Universitätsmechaniker du Mouceau in Würzburg einzutreten. Nach drei Jahren stirbt sein Lehrherr und Oberhäuser begibt sich als Mechanikergehilfe im Frühjahr 1816 nach Paris. |
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Dort gelingt es ihm, mit tüchtigen Fachleuten in Kontakt zu treten und so kann er sich schon 1830 mit Trécourt und Bouquet selbständig machen. Schon bald trennt sich Oberhäuser jedoch wieder von seinen Kompagnons. Feldstecher und Mikroskope werden die Haupterzeugnisse. | |||
Zunächst
verbessert er das aus dem 18. Jahrhundert stammende Trommelstativ ab 1835,
wobei er es unter anderem im Innern des Fußes mit Blei beschwert. Das
Schutzrecht auf ein ein "microscope achromatique vertical à miroir
fixe avec platine à tourbillon" wird Georges Oberhaeuser zusammen
mit Achille Trécourt im Oktober 1837 erteilt. Oberhäusers Werkstatt
gelangt schnell zu einem guten Ruf durch günstige und solide Instrumente
mit ausgezeichneten achromatischen Objektiven.
1848 führt Oberhäuser das Hufeisenstativ ein, welches von allen führenden Herstellern übernommen wird und fast 100 Jahre im Gebrauch bleibt. Ferner standardisiert Oberhäuser die Tubuslänge auf 160 mm auf Veranlassung der damaligen Anatomen. So bleibt das Mikroskop ausreichend klein, um feuchte Objekte vertikal betrachten zu können, was mit den damaligen britischen Instrumenten nur schwer möglich ist. Dabei konstruiert Oberhäuser seine Mikroskope so einfach wie möglich, unter Verzicht auf technische Verfeinerungen, wiederum ganz im Gegensatz zu englischen Instrumenten. So erfolgt die Grobeinstellung durch Verschieben des Tubus mit der Hand, während nur zum Feinfokus eine Mikrometerschraube vorhanden ist. Diese einfache Bedienung ermöglicht es den Forschern, sich ganz auf ihre mikroskopische Arbeit zu konzentrieren. So erfreuen sich Mikroskope aus Oberhäusers Werkstätte sowohl auf Grund ihrer hervorragenden Objektive als auch der praktischen und relativ preiswürdigen Hufeisenstative großer Beliebtheit. Die "kleine Trommel" findet weite Verbreitung. In den Jahren 1831 bis 1856 gehen 3000 Mikroskope aus Oberhäusers Werkstatt hervor. Edmund Hartnack wird am 9. April 1826 zu Templin in der Uckermark geboren und lernt 1842 - 1847 in Berlin das Mechanikerhandwerk bei Wilhelm Hirschmann senior (1777 - 1847), welcher seinerseits mit Schiek und Pistor zusammengearbeitet hat. 1847 kommt Hartnack zu Heinrich Daniel Rühmkorff (1803-1877) nach Paris und wird später Mitarbeiter in Oberhäusers Werkstätte Oberhäuser. Dieser nimmt ihn 1854 als Teilhaber auf. Hartnack heiratet Johanna Maria Louise Kleinod, die Nichte Oberhäusers und übernimmt das Geschäft 1864, aus welchem sich sein früherer Chef mehr und mehr zurückgezogen hat. Den Kontakt zu seiner Geburtsstadt läßt Oberhäuser nie abbrechen, in späteren Jahren setzt er eine Stiftung zur "Linderung der Armut und Förderung industrieller Zwecke" in Ansbach aus. So wird ihm 1852 das Ehrenbürgerrecht der Stadt verliehen, deren Museen er mehrfach mit Schenkungen bedenkt. Oberhäuser verstirbt am 10. Januar 1868 in Paris. Im Jahr 1864 tritt der aus Polen geflüchtete Mathematik-Professor Adam Prazmowski (geb. 25.03.1821 in Warschau) dem Unternehmen bei. 1863 ist der frühere Assistent der Warschauer Sternwarte aus politischen Gründen nach Paris emigriert. Zuvor nimmt er 1846-49 an der geodätischen Vermessung Polens teil und bereist bereits 1851 Deutschland und Frankreich. Neben Beobachtungen der Sonnenfinsternissen 1852 & 1853 ist der Wissenschaftler Mitglied der Gradmessug Eismeer-Bessarabien im Jahre 1853 und Gesandter zur Beobachtung der Sonnenfinsternis 1860 in Spanien. Prazmowski hat sich als Observator schon zuvor mit Optik und der Berechnung von Linsensystemen beschäftigt - die fruchtbare Zusammenarbeit mag als Erklärung dienen, dass er bereits 1865 zum mechanischen Direktor des Unternehmens benannt wird. In dieser Zeit wird das Nicolsche Prisma (1866) und das Saccharimeter (1873) verbessert sowie ein eigener Beleuchtungsapparat entwickelt. Hartnack muss auf Grund des deutsch-französischen Krieges 1870 Frankreich verlassen. Die Wirren in der französischen Hauptstadt bringen schwere Monate für die Werkstätte - Prazmowski führt die Geschäfte weiter und erstattet Hartnack so regelmäßig als möglich Bericht. Anfang des Jahres 1872 nimmt Hartnack schließlich in Potsdam die Produktion von Mikroskopen auf und signiert seine Instrumente mit "E.Hartnack & Co Paris & Potsdam". Die dort ausgelieferten Instrumente werden in Abstimmung mit der Pariser Werkstätte nummeriert, bis diese 1878 an Prazmowski verkauft wird. Nach dem Tode Prazmowskis 1885 übernehmen seine Meister Bézu & Hausser die Werkstätte und verkaufen diese 1896 schließlich an Alfred Nachet. Der viel geehrte Edmund Hartnack stirbt nur wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau am 9. Februar 1891 in Potsdam. [Vergleiche Referenz 1, 2, 47, 56, 83 sowie Optisches Museum Oberkochen: "'Microscope achromatique' / Georges Oberhäuser, Paris" signiert am Tubusträger "Georges / Oberhaeuser, / brevete / Place Dauphine, 19. / Paris" und "Microscope / achromatique / à / Grossissements / variables." auf der Basis "No. 1095"; Billings Collection Washington: "Georges Oberhaeuser, Paris, France, compound monocular; after 1840" signiert "Georges Oberhaeuser / Brevete / Place Dauphine 19 / Paris" und "Microscope / Achromatique / a / Grossissements / Variables / No. 1158" AFIP 71796-60-4713-229 (Abb. 78, S. 41); Collection of Historical Scientific Instruments at Harvard University, USA: "drum-type compound microscope", signiert am Tubusträger: "Georges / Oberhaeuser, / breveté, / Place Dauphine, 19, / Paris." und "Microscope / achromatique / à / Grossissements / variables." auf der Basis "No. 1194", Inventory Number 1117; Optisches Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: Mikroskop signiert "Georges Oberhaeuser / Brevete / Place Dauphine 19 / Paris" und "Microscope achromatique à grossissèment variables" auf der Basis "No. 1183"] |
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