Frühestes kleines Mikroskop von Engelbert & Hensoldt. Das
Stativ um 1862 besteht aus lackiertem und geschwärztem Messing,
gebläutem Stahl und Eisenguß. Die grobe Einstellung erfolgt über
einen Schiebetubus, dessen Hülse im Durchmesser variiert werden kann,
um so bei Bedarf die Gängigkeit des Lagers einzustellen. Wie bei den
ersten Stativen von Kellner üblich, ist die Rändelschraube für
den Feintrieb unter dem Tisch angebracht, um bequem mit liegender Hand bedient
werden zu können. Auch diese Führung an einer prismatischen Säule
kann mit einer gegen eine Blattfeder wirkende Schraube bei Bedarf nachgestellt
werden.
Die Beleuchtung erfolgt wie bei den frühesten Stativen von
Carl Kellner über einen zweifach
gelagerten Konkav-Spiegel, unter dem Tisch ist ein Revolverlochblendenrad
mit acht runden Aperturöffnungen angebracht. Der Eisengußfuß
ist zur Verbesserung der Standfesttigkeit des Mikroskops asymmetrisch
vergrössert. Wie bei den frühen Mikroskopen aus dem Optischen Institut
in Wetzlar, ist der Tisch nicht für Objektklemmen vorgesehen.
Die Signatur umfasst beide Seiten des Tubusträgers:
Engelbert u. Hensoldt
in Braunfels.
Die
Seriennummer ist in die nach oben zeigenden Seite dieses Teiles eingeschlagen:
30. Das Stativ ist ausgestattet mit einem Okular Nr.I sowie einem Objektiv Nr.0. Leopold Dippel schreibt in der zweiten Auflage von "Das Mikroskop" (1882) zu dem kleineren Stativ von Hensoldt: Engelbert u. Hensoldt in Wetzlar, soweit mir bekannt, in dem optischen Institut zu Wetzlar unter Kellner's Leitung ausgebildet, hatten sich früher die von diesem ausgehenden Mikroskope und Objectivsysteme zum Muster genommen und lieferten, soviel ich mich durch die Prüfung eines kleinen Mikroskopes mit sämmtlichen Objectivsystemen und Ocularen zu überzeugen Gelegenheit hatte, schon Anfang der 60er Jahre recht gute Instrumente. Der holländische Professor Pieter Harting beruft sich in seiner Bewertung dieses Herstellers 1866 in "Das Mikroskop" auf Rud. Wagner (Nachrichten v.d.G.A. Universität u.d. Königl. Ges. der Wiss. Zu Göttingen. 1857, Nr. 19, S.253): Hensoldt in Sonneberg ahmen die Mikroskope Kellners nach, kommen diesen optisch nicht ganz gleich, mechanisch übertreffen sie diese jedoch. Mikroskope mit zwei Linsensystemen und drei Ocularen kosten 50 Thaler, das stärkste Okular wird jedoch als unbrauchbar bewertet. Moritz Hensoldt (1821-1903) wird in Friedrichshall geboren und bei Georg Andreas Wiskemann in Saalfeld zum Mechaniker ausgebildet um nach Abschluß der Lehre auf seiner Wanderschaft 1842/43 bei F.W. Breithaupt in Kassel zu arbeiten. Seine nächste Station ist die Werkstätte von Repsold und Söhne in Hamburg. Im Sommer 1846 lernt er hier Carl Kellner kennen und steht mit diesem nach seiner Lehrzeit stets in engem persönlichen Briefkontakt - trotz immer wieder auftretender Differenzen verbindet beide Männer eine tiefe Freundschaft - Kellner nennt Hensoldt seinen "besten Freund". |
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Hensoldt beginnt nun auch mit einer eigenen Mikroskop-Produktion.
Darüber ist Kellner zwar nicht erfreut, er schreibt jedoch, ihn störe
dies nicht besonders - offenbar ist Kellner in dieser Zeit über die
zukünftige Form der Stative unschlüssig, da in Deutschland zunehmend
das von Oberhäuser vorgegebene Hufeisenstativ übernommen wird.
Im Jahre 1854 heiratet Moritz Hensoldt Christine Ohlenburger, die Cousine von Carl Kellner und Louis Engelbert (1814-1887). Letzterer ist mittlerweile zum engsten Vertrauten Kellners in dessen Werkstatt geworden. Als Kellner nach der Erkrankung an Tuberkulose sich seines nahenden Ende bewußt wird, weiht er Engelbert in sämtliche Fertigungschritte ein und ermöglicht diesem nach dem frühen Tode Kellners im Mai 1855 eine angemessene Leitung des Optischen Instituts in Wetzlar. Im Todesjahr Kellners arbeitet nun Christian Friedrich Belthle (1829-1869) von Februar bis April 1855 als Gehilfe bei Carl Kellner. Schon bald nach Kellners Tod freundete sich seine Witwe, Maria Mathilde Kellner, geb. Werner (1831-1881) mit Belthle an. Etwa 13 Monate nach Kellners Tod bringt sie ihm im August 1856 eine uneheliche Tochter zur Welt. Noch im Dezember des Jahres heiratet Kellners Witwe Belthlr, der damit auch die Werkstätte übernimmt. Hierauf verläßt Engelbert die Firma, um eigenständig Mikroskope in Oberndorf zu bauen. Engelbert und Hensoldt schätzen die Arbeit des jeweils anderen sehr hoch ein und so verbinden sie sich in Braunfels zu einer gemeinsamen Firma im Jahre 1861. Auf Veranlassung des Fürsten Ferdinand von Braunfels werden die Mikroskope im St.-Georgs-Hof gefertigt bis das junge Unternehmen 1865 in das verkehrsgünstiger gelegene Wetzlar übersiedelt. Die beiden Teilhaber wirken fortan in getrennten Werkstätten, wobei Engelbert bis zu seinem Tod 1887 die Instrumente mit "Engelbert und Hensoldt in Wetzlar" signiert. In Wetzlar ist 1864 Ernst Leitz in das Optische Institut von Belthle eingetreten und wird im Oktober 1865 Teilhaber. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die wenigen von "Engelbert und Hensoldt" in Braunfels gefertigten Mikroskope alles Können und Wissen vereinen, dass die beiden Eigentümer als die engsten Vertrauten von Carl Kellner zusammen mit diesem erarbeitet oder von ihm gelernt haben. Jene Hände die die mechanische Fertigung der ersten Kellner'schen Mikroskope ausführen, wirken nun hier und übertreffen in der Qualität der Arbeiten die Instrumente aus Kellners Zeit noch. Bei dem hier gezeigten Instrument handelt es sich um das älteste bekannte Mikroskopstativ dieses Herstellers. Es taucht im November 2005 an der belgisch-holländischen Grenze bei einem Trödelhändler auf. Dieser verkauft das Mikroskop rechtskräftig erst an diese Sammlung, bietet aber nach Bestätigung der Zahlung Jeroen Meeusen an, das Instrument am folgenden Tag gegen Barzahlung zu veräußern. Jener Sammler überlässt das Mikroskop im Dezember 2007 dieser Sammlung zu seinem Einkaufspreis; ihm gilt mein herzlicher Dank. (Referenz 4, 34, 53, 94, 95, 97, 101 und Abbildung dieses Mikroskops in 129) |
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